„Dankbarkeit ist das Wichtigste“ | Ein Tag im Seniorenheim

Kategorien Kurzgeschichten

Heute habe ich doch tatsächlich das Unglaubliche gewagt, mich trotz Ferienzeit zu etwas zu bewegen,bei dem die akute Gefahr besteht,dass ich eventuell dabei etwas LERNEN könnte: einem eintägigen Berufspraktikum für Schüler.

Das Projekt wurde uns in der Schule vorgestellt und nennt sich „Work@sig“ (Unsere Kreisstadt heißt Sigmaringen, daher der Name). Ziel ist es, Schülern in den Sommerferien Einblicke in verschiedene Firmen und Betriebe im Umkreis zu gewähren. Die Auswahl war riesengroß, und wer seinen „Work@Sig-Pass“  in den Sommerferien vollbekommt, hat zudem noch die Chance auf einen Gewinn. Leider sind die meisten für mich interessanten Projekte in der Zeit, in der ich im Urlaub bin, aber beim Seniorenheim hatte ich Glück. Ich habe diesen Betrieb ausgewählt, weil ich selbst Angehörige im Seniorenheim habe, und weil mich die Arbeit mit Menschen reizt, zumal ich ja auch im Herbst dieses Jahr noch mein Sonderschule mache.

Ich fuhr also nach Sigmaringen in das dortige Pflege- und Altersheim. Ich hab jetzt nicht unbedingt vor, euch einen Roman darüber zu erzählen, ich bin ja schon froh, dass ich nicht wie in der Schule einen Praktikumsbericht schreiben muss. Also vielleicht nur so vie: wider meiner Erwartung war es unglaublich bewegend und inspirierend.

Ich war in der Tagespflege, wo es sowohl schwer demente Menschen gibt, die bereits das Reden verlernt haben, als auch Leute, die eigentlich noch fit sind und sich gerne mit mir unterhalten beziehungsweise mich bei Mensch-ärgere-dich-nicht rausgeschmissen haben.  Am beeindruckendsten war die Begegnung mit einer Frau, die ich anhand ihrer körperliche und geistige Fitness auf 75 geschätzt hätte, die aber in Wirklichkeit 96 Jahre alt ist. „Dankbarkeit,“ sagt sie, „ist das Wichtigste. In meinem Leben ist so viel passiert, so viele Leute die ich kannte sind viel zu früh gestorben, da muss ich dankbar sein, dass ich es soweit geschafft habe.“ Das hat mir zu denken geben. Wir haben so viel Glück mit unserem Leben, hatten so eine gute Kindheit, sind aber oft nicht halb so dankbar wie die Menschen, deren Leben oft alles andere als einfach ist.

Im Rahmen einer Hausführung lernte ich auch den sogenannten Abschiedsraum, der Angehörigen, sehr würdevoll gestaltet ,die Möglichkeit bietet, ihre Lieben loszulassen. Sterben gehört im Altersheim ganz selbstverständlich dazu, und doch wird hier jeder Tote respekt- und liebevoll begleitet, und sicher nie vergessen.

 Der Tag hat mich auf jeden Fall sehr geprägt und mir zu denken gegegeben. Auch wenn es bei dieser Hitze sicher besseres zu tun gäbe-Freibad, Hängematte und und und- bereue ich das Praktikum kein bisschen, denn wenn ich darauf angewiesen wäre, würde ich mir ja auch wünschen, dass mir geholfen wird- egal ob bei. Hitze oder bei -10 Grad und Schneesturm. 

Vielen Dank an Work@Sig für diese Möglichkeit!

Mein Name ist Tabitha Anna und ich bin 24 Jahre alt. Ich komme aus dem Süden von Baden-Württemberg und liebe es, zu lesen, zu schreiben und zu reisen. Seit Oktober 2019 studiere ich deutsche und italienische Sprach- und Literaturwissenschaft in Freiburg im Breisgau.